Was für ein Jubiläumsjahr in Bad Pyrmont: 350 Jahre Hauptallee, 200 Jahre Kurtheater und 50 Jahre Abi 68!
Wie bereits 2008 erstmals zum 40-jährigen Jubiläum folgten auch in diesem Jahr die Abiturienten des Jahrgangs 1968 ihrem Motto „Die Rückkehr der 68er“ und trafen sich in Bad Pyrmont.
von Ralf Hewig (Juli 2018); Foto: Dieter Mergel
Das Motto ist eine selbstironische Anspielung auf ein cineastisches Ereignis jener Zeit – „Die Rückkehr der glorreichen Sieben“ (1966) – und natürlich die berühmt-berüchtigte Studenten-Revoluzzer-Truppe um Rudi Dutschke, Rainer Langhans und Co. Nun, Rudi Dutschke ist tot, Rainer Langhans lebt von Dschungelcamp und vergoldeten Schamhaaren, und die Pyrmonter Abiturienten von damals waren, wenngleich nicht unkritisch, eher in kleinstädtischer Zurückhaltung verwoben als in brachialem Aufruhr gegen das Establishment, zu dem nach damaligem Slogan bekanntlich schon jeder gehörte, der „zweimal mit derselben pennt“. Einige (Ehe)-Partnerschaften unserer Jubiläumsgruppe waren schon zu Schulzeiten befreundet – was für eine reaktionäre Nachhaltigkeit! Verständlicherweise blieb auch eine Assoziation mit dem 1969 erschienenen Filmtitel „Die Rache der glorreichen Sieben“ aus.
In der Aula der Realschule (heute nach Max Born benannt), wo vor kurzem noch das Lehrerzimmer des Gymnasiums ein vorübergehendes provisorisches Asyl bezogen hatte, empfingen in feierlicher Stunde 23 Schülerinnen und Schüler des Humboldt-Gymnasiums aus der Hand des damaligen Direktors Dr. Glawatz ihr Abitur-Zeugnis, am 29. Juni 1968. Mahnende Worte, die uns damals in den Abschiedsreden mit auf den Weg gegeben wurden, haben auch heute uneingeschränkt Gültigkeit: „Man hüte sich vor dem Vorurteil und falscher politischer Gläubigkeit“, oder „man solle nicht in der Zuschauerrolle beharren, sondern erkennen, dass das wahre Leben verlangt, Verantwortung zu tragen, zu bekennen und mitzuhelfen!“
Von den 23 Abiturienten aus 1968, 7 aus der Latein-Klasse und 15 aus der Französisch-Klasse (Neusprachlicher Schultyp), sind leider schon 4 verstorben, die meisten schon sehr jung. Von den verbliebenen 19 fanden immerhin 11 den Weg nach Bad Pyrmont, unterstützt von 9 Humboldt-Schülern, die zeitweise dem Klassenverband angehört hatten. Bereichert durch einige Ehegatten fanden sich insgesamt 26 Personen zur abendlichen Feierstunde im Hotel Steigenberger ein, zu dem aus der Schulzeit als Kurhotel eine besondere Beziehung wegen diverser Schulfeste und Abi-Bälle bestand. Es war eine besondere Freude, unter den Teilnehmern auf der Kurpark-Terrasse auch zwei ehemalige Lehrer, Herrn Hollunder und Herrn Richter, zu begrüßen. Der Kalender stand auf 28. Juni 2018, also genau 50 Jahre nach Erhalt unseres Abiturzeugnisses.
Dem ausschließlich von persönlichem Gesprächsaustausch geprägten abendlichen Treffen war am Nachmittag ein Schulbesuch vorausgegangen, den Frau Dr. Conring freundlicherweise ermöglicht hatte. Da wir bereits 2008 die alte „Penne“ besucht hatten, war zunächst nicht an einen Schulbesuch gedacht, aber aufgrund der dramatischen Veränderungen am Gymnasium war er dann doch organisiert worden. Der zu unserer Schulzeit ausgeführte Neubau mit den schwarzen Kuben war im Wesentlichen 1968 abgeschlossen worden, dort hatten wir unsere Abi-Prüfung absolviert. In den Wandverkleidungen hing nicht nur Asbest, sondern auch unser Angstschweiß wie wohl auch von vielen weiteren Schülergenerationen. Daher kam schon etwas Wehmut auf, als wir aus dem wunderbar aussichtsreichen Informatik-Raum des Neubaus auf den Bagger mit dem Tyrannosaurus-Kopf hinab schauten, der die gerade angebrochene Ferienzeit nutzte, um die letzten Reste unserer „Bildungswürfel“ hinweg zu knabbern – eigentlich ein Wunschbild früherer Schülervisionen.
In den intensiv farbigen, brandschutzleergefegten Fluren des neuen Gebäudes meinte man, noch das Echo der zwei Tage zuvor bei der Einweihungsfeier aufgeführten Freudengesänge zu hören, aber tatsächlich war das Bauwerk in den typischen Sommerferien-Schlaf verfallen. So konnte Heinz Schaub, dem großer Dank gebührt, uns 13 Ehemaligen ungestört das Raumkonzept des neuen Gymnasiums vorführen und an vielen Beispielen die moderne technische Ausstattung der Fachräume erläutern. Wir wünschen der Schule eine erfolgreiche Tätigkeit in dem hellen Domizil und hoffen, dass auch in den nächsten 50 Jahren das Dach überwiegend dicht bleibt. Der Abschluss der von beiden Seiten mit zahlreichen Schul-Anekdoten gewürzten Führung brachte uns zum denkmalgeschützten Ganz-Alt-Bau, wo wir einige Jahre im Nordflügel unter der Uhr verbracht haben und wo vor allem die „Richter-Halle“ immer noch den säuerlich muffigen Geruch vergangener Strapazen hütet. Der Gang durch den Bogentunnel und das blaue Glastor brachte uns in die Gegenwart zurück.
Am nächsten Vormittag rundete eine Schlossbesichtigung die Veranstaltung ab, die vom tagelang schönen Sommerwetter ins rechte Licht gehoben war. In den 60er Jahren hatte das Pyrmonter Schloss mit Lese-, Spiel- und Ruhesälen als Refugium für Kurgäste mit Dauerkarte gedient, war nur vom Kurpark aus über eine Brücke mit Kontrollposten zugänglich, und somit für „normalsterbliche“ Pyrmonter völlig unerreichbar gewesen. Daher gab es einige unter den Jubilaren, die nun zum ersten Mal das Schloss und die eindrucksvolle Insel betraten, und das Interesse der 19 Teilnehmer war entsprechend groß. Herrn Dr. Alfter gilt unser Dank für eine ebenso engagierte wie kompetente Führung, die anhand ausgewählter Exponate den Bogen vom kleinen Tal der Emmer nach ganz Europa spannte und die Geschichte des Ortes in den weltpolitischen Kontext stellte.
Nicht ganz zufällig schloss sich am Wochenende der „Historische Fürstentreff“ an, der einigen von weither Angereisten eine farbenfrohe Ergänzung zum Klassentreffen und den ortshistorischen Studien bot.
Einen kleinen Überschuss unserer Veranstaltungskasse in Höhe von Euro 220 stellen wir dem Humboldt-Gymnasium zur Projektförderung zur Verfügung, damit sich in fünfzig Jahren nicht allzu viele Ehemalige über mangelnde Schulausrüstung beschweren müssen. Aber eines ist nicht zu kaufen:
„Das tief und echt Menschliche ist die Grundlage aller Bildung.“ Wilhelm von Humboldt.